Gewinn und Chancen von altersdurchmischten Schulklassen
(ein Beitrag zur Systemtransparenz)
Denken sie gerade an ein kleines Bergdorf, in dem kaum 100 Seelen leben, mehr Tiere als Menschen?
Retro ist nicht nur in der Mode der letzte Schrei, auch in der Pädagogik wird Altbewährtes wiederentdeckt. So einiges wird aus Grossmutters Trickkiste gezaubert, was bereits in den Untiefen mancher Bergtäler als verschollen galt. Alt ist nicht gleich schlecht. Das erkennt jede Generation irgendwann. Heute sind es die Mehrjahrgangsklassen. Einige verfluchen sie, andere lieben sie.
Zunächst mal zu den Vor(ur)teilen.
Denn unter uns gesagt, die Mehrjahrgangsklassen haben es im Volksmund schon nicht so einfach. Als meine Nachbarn erfuhren, dass ihre zarte Sandra mit dem ein Jahr älteren, rauffreudigen Oliver in dieselbe Klasse gehen wird, waren sie gar nicht erfreut und taten diesen Schulentscheid als Hiobsbotschaft ab. Nach einer anfänglichen Skepsis stellte sich heraus, dass sich Sandra und Oliver ganz gut verstanden. Zusammen bestritten sie den gemeinsamen Schulweg und auf die kleine Sandra passte der grosse Oliver ganz gut auf. Ihm war es wichtig, seiner Verantwortung als Älterer und erfahrener Schüler gerecht zu werden. Es freute ihn sogar, wenn Sandra in der grossen Pause bei ihm Schutz suchte.
Denkt man nun, dass eine Mehrjahrgangsklasse aus Gründen der Ressourceneinsparung beim Lehrpersonal entsteht, ist dies ein Trugschluss. In Schulhäusern werden genauso viele Lehrpersonen für Mehrjahrgangsklassen, wie für Einjahrgangsklassen beschäftigt. Lehrpersonen sehen sich mit der Aufgabe konfrontiert, ein Doppelprogramm vorzubereiten, da die Schüler/innen in unterschiedlichen Lehrplanstufen unterwegs sind. Der Vorteil für die Schüler/innen besteht in erster Linie darin, dass sie je nach Wissensstand vom unterschiedlichen Lerninhalt profitieren können. Sandra hat nun also bereits während ihrem ersten Schuljahr Inhalte aus der zweiten Klasse gelernt. Dies, weil sie besonders pfiffig und aufmerksam ist. Vielleicht wird sie die zweite Klasse sogar ganz überspringen. Oliver hingegen konnte einige Lücken schliessen und Inhalte aus dem Vorjahr repetieren, die für sein weiteres Vorankommen essenziell sind. Auch im zwischenmenschlichen Bereich können altersdurchmischte Gruppen voneinander profitieren. Kinder lernen Verantwortung für sich und Jüngere zu übernehmen und helfen vor allem zu Beginn des neuen Schuljahres den Jüngeren sich rasch zu orientieren, die Regeln, Strukturen und ein angemessenes Verhalten für ein lernförderliches Klima einzuüben. Unter anderem ist das für den Schulbetrieb sehr förderlich. Diese Systematik trägt dem Gedanken der Basisstufe* rechnung.
In den vergangenen Jahren ist das System der Mehrjahrgangsklassen im Zusammenhang der Integrationsschulen** wieder aktuell geworden. Wenn Kinder mit unterschiedlichen Bedürfnissen in einer Klasse Raum finden, dann auch Kinder unterschiedlicher Altersgruppen. Hinsichtlich dem neuen Lehrplan 21 ist es heute eine Frage der Zeit, bis Lernziele weichen und Kompetenzen in den Vordergrund treten. Kinder sollen befähigt werden. Vor diesem Hintergrund sind homogene Jahrgangsklassen langfristig Auslaufmodelle, für die es kein Berechtigungsdasein mehr geben wird. Die Schule, der Spiegel der Gesellschaft, wird an keinen fixen Gruppierungssystemen festhalten, die keinen essenziellen und ausgewiesenen Mehrwert aufzeigen.
Neue Trends und Entwicklungen werden uns immer begleiten. Dieser Beitrag gilt in erster Linie der Aufklärung. Ebenso kann er als gedanklicher Anstoss betrachtet werden, wie wir mit Neuem, das evtl. ausserhalb der eigenen Komfortzone liegt, planen umzugehen.
* Die Basisstufe beinhaltet eine altersdurchmischte Gruppe der ersten vier Schuljahre (früher Kindergarten und 1./2. Klasse). Die Kinder werden nicht mehr in homogenen Altersklassen unterrichtet, sondern können sie sich zwischen unterschiedlichen Lern- und Spielangeboten verschiedener Leistungsniveaus entscheiden, die ihren Bedürfnissen entsprechen. So können Kinder gemäss ihrem Entwicklungsstand gefördert werden. Unter anderem wird so der zeitliche Druck, dass ein Kind im definierten Jahr die fest reglementierten Inhalte und Kompetenzen erwerben muss, aufgelöst.
** Integrationsschulen sind Regelschulen, in denen die Kinder und Jugendliche mit und ohne besonderen Bildungsbedarf aus dem nahen Wohngebiet weitgehend gemeinsam unterrichtet werden. Innerhalb der Regelschule werden zusätzlich pädagogische Angebote und Ressourcen für Förderprogramme zur Verfügung gestellt.
Dear Sanny
Thank you for your motivation! There are some in pipeline.
Greetings, Amina Rosenthal
Make a more new posts please 🙂
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Sanny
Sehr geehrter Herr Gericke
Vielen Dank für Ihren Beitrag.
Ich empfehle ihnen resp. ihrer Freundin proaktiv das Gespräch mit der Lehrperson zu suchen. Da das auffällige Verhalten, wie sie schreiben, vor allem im ausserschulischen Bereich auftritt, entzieht sich dies dem Wissen der Lehrperson. Für eine Lösung ist es daher wichtig, dass sie sie über ihre Beobachtungen informieren. Nur so kann die Lehrperson entsprechende Massnahmen ergreifen.
Alles Gute für sie Drei und freundliche Grüsse!
Amina Rosenthal
Ich stelle täglich fest, dass es in keinster Weise förderlich ist, die Klassen zu mischen! Denn Kinder, die nicht hinter her kommen, fallen komplett durchs Raster! Vor allem wenn sie noch nicht so weit entwickelt sind, werden sie, vor allem von größeren Kindern, ständig gehänselt. Dadurch verschließen Sie sich und kommen noch viel weniger hinterher. Ich seh es grade an einer Freundin ihrem 6 jährigem Sohn, der immer schlimmer wird. Er kennt keinerlei Grenzen und Regeln mehr, weil er zu Hause den gesamten Schulfrust rauslässt.